Ausgestaltung und Umsetzung der neuen rechtlichen Rahmenbedingungen für den Schutz vor gefährlichen Hunden
Statement von Dr. Heinrich Grußendorf, Bramsche, Vizepräsident des BPT, anlässlich der Einladung der Bundestagsfraktion Bündnis 90 Die Grünen zur Anhörung am 21. August, 10.30 Uhr bis 15.00 Uhr, Luisenstr. 32-34, Raum 1001, 10117 Berlin
1. Probleme der Vollzugsbehörden
Aus tierärztlicher Sicht ist eine angemessene Ausbildung der für Hunde eingesetzten Vollzugspersonen erforderlich. Fachlich muss sich die Ausbildung erstrecken auf
- a) die Kenntnisse von Hunderassen, d.h., das phänotypische Erscheinungsbild verschiedenster Rassen. Um Kreuzungen gefährlicher Rassen zu erkennen bedarf es intensivsten Trainings, wenn es auch nur annähernd gelingen soll, die Elternschaft und damit die vermutete Gefährlichkeit von Tieren herauszulesen.
- b) Grundkenntnisse der Ethologie, um Gebärden und Verhalten von Hunden deuten zu können und um die Voraussetzung für den Umgang der Vollzugspersonen mit Hunden zu schaffen.
2. Ausgestaltung des Erlaubnisvorbehaltes für das Halten gefährlicher Hunde
Grundsätzliche Anmerkung:
Richtigerweise ist von vermuteten gefährlichen Hunden zu sprechen. Die tatsächliche Gefährlichkeit ist grundsätzlich eine individuell ausgeprägte Eigenschaft von Einzeltieren einer Rasse.
Ein Erlaubnisvorbehalt sollte aus tierärztlicher Sicht auf zwei verschiedenen Säulen beruhen:
- a) Der persönlichen Zuverlässigkeit des Halters – Straftaten in Richtung Gewaltanwendung (Körperverletzung) oder Unzuverlässigkeit (Trunkenheitsdelikte) sollten einer Erlaubnis zur Haltung vermuteter gefährlicher Hunde entgegenstehen.
- b) Eines zu erbringenden Sachkundenachweises insbesondere über artgerechte Haltung von Hunden und Tierverhalten.
3. Ausgestaltungsmöglichkeiten eindeutiger Markierungsmöglichkeiten z.B. durch Mikrochip oder Tätowierung
Grundsätzliche Feststellung: Die Kennzeichnung durch Mikrochip ist der Tätowierung vorzuziehen.
Gründe:
- Die Tätowierung ist ein schmerzhafter Vorgang. Die Applikation eines Mikrochips dagegen ist der Impfung vergleichbar und damit aus Sicht des Tierschutzes eine schonende Kennzeichnungsmethode.
- Die Tätowierung ist nicht dauerhaft wie die Kennzeichnung mit Mikrochip, der lebenslang lesbar ist. Darüber hinaus ist die Lesbarkeit der Tätowierung bei dunklen Hunden und nachlassender Farbintensität schwierig und zeitaufwendig: Bei tatsächlich gefährlichen Hunden unter fremdem Personenzugriff ist das Lesen der Tätowierung kaum zu bewerkstelligen.
- Die Tätowierung ist keine Methode der Wahl für die Kennzeichnung.
Anforderungen an den Mikrochip und die Halteridentifizierung:
- a) Wegen der notwendigen universellen Lesbarkeit des Mikrochips muss dringend die Verwendung von Mirkochips vorgeschrieben werden, die dem ISO-Standard entsprechen. Diese Mikrochips beinhalten eine standardisierte Technik und erfüllen damit eine Voraussetzung universeller Lesbarkeit.
- b) Wenn Tierhalter aufgrund einer Chipkennzeichnung identifiziert werden wollen, ist ein Zentralregister zu schaffen, in das alle Hunde eingegeben werden. Dies gilt auch für die Tätowierung.
Die Meldung der Chip- oder Tätowierungsnummer bei der zuständigen Behörde nützt nichts, wenn sich das Tier an einem anderen Ort als der zuständigen Behörde aufhält. Die Vollzugsperson müsste bei allen Ordnungsämtern der Bundesrepublik nachfassen, um einen Tierhalter anhand der Markierung identifizieren zu können.
Für den Bundesverband Praktischer Tierärzte ist die Kennzeichnungspflicht für Hunde und die Schaffung eines Zentralregisters seit Jahren ein verfolgtes Anliegen. Es sei der Hinweis erlaubt, dass in Nachbarländern zum Teil eine Kennzeichnungspflicht für Hunde mit Erfassung in einem Zentralregister besteht (z.B. Frankreich oder Dänemark).
4. Ausgestaltungsmöglichkeiten für einen Hundeführerschein für alle ZüchterInnen und HalterInnen
Grundsätzliche Feststellung:
Ein Hundeführerschein für alle ZüchterInnen wäre zu begrüßen. Ein Hundeführerschein für alle Hundehalter ist abwegig und wäre realiter nicht schaffbar. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit würde verletzt, wollte man Haltern von Hunden, die aufgrund ihrer körperlichen Konstitution Menschen nie eine Gefahr sein können, einen Hundeführerschein abverlangen.
Ein Hundeführerschein macht Sinn
- für Züchter, weil dort schon der Grundstein für das spätere Sozialverhalten eines Hundes gelegt wird und
- für Halter von Tieren, bei denen es entscheidend auf sozialverträgliche Haltung und die Beherrschbarkeit des Tieres wegen vermuteter Gefährlichkeit ankommt.
Inhalt des Führerscheins sollte sein
- bei Züchtern: Tiergesundheit, Hygiene, Ernährung, insbesondere artgerechte und sozialverträgliche Haltung, Tierverhaltenskunde,
- bei Hundehaltern: Insbesondere artgerechte und sozialverträgliche Haltung und Tierverhaltenskunde.
5. Kontroll- und Durchsetzungsmöglichkeiten von Maulkorb und Leinenzwang
Grundsätzliche Anmerkung:
Obligates Maulkorbtragen und obligate Leinenführung für per Rasse definierte vermutete gefährliche Hunde ist verhaltenskundlich abträglich. Tiere, die in ihrer Bewegungsfreiheit und im Sozialkontakt behindert werden, neigen dazu, Aggressionen aufzubauen. Daher sollte ein Leinen- und Maulkorbzwang nur zum Tragen kommen bei Hunden, die ein Angriffs- und Kampfverhalten aufweisen, das durch artgemäße Signale nicht hinreichend gesteuert wird. Im Zweifel ist ein Wesenstest geeignet, Klarheit zu schaffen.
Sollte die politische Entscheidung entgegen vorgenannter Aussage doch für bestimmte Hunderassen einen Leinen- und Maulkorbzwang vorschreiben, ist dieser nur dann aus ethologischer Sicht zu rechtfertigen, wenn Auslaufflächen bereitgehalten werden, in denen diese Tiere sich ohne Zwangsmaßnahmen bewegen können. Damit könnte einer reglementierungsbedingten möglichen Verhaltensfehlentwicklung entgegengewirkt werden.
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